Manch' einer erinnert sich noch: Wenn unsere Väter ankündigten, mit uns mal richtig Schlitten zu fahren, dann verhieß das nichts Gutes. Doch auch wenn sich das Unvermeidliche meist nicht mehr abwenden ließ; es galt vor allem, sich nicht bange machen zu lassen. Für Bangbüxen ist auch das nichts, was ein Hamburger Veranstalter mit eben diesem Namen anbietet: Ausgedehnte Schlittenfahrten durch Nordschweden mit PS-starken Motorschlitten

Schon mal auf einem Motorschlitten gesessen? In Nord-Schweden kann Mann dieses Abenteuer in vollen Zügen genießen. Vom Örtchen Arvidsjaur, kaum mehr als 150 Kilometer vom Polarkreis entfernt, starten im Winter an jeden Wochenende kleine Gruppen zu ausgedehnten Ausritten in den Tiefschnee skandinavischer Wälder. Gruppenweise? Ja, in Schweden ist zum Fahren eines Motorschlittens ein spezieller Führerschein erforderlich; es sei denn, ein Guide mit spezieller Ausbildung führt die Truppe an.

Guide, Hotel, Schlitten – da macht es Sinn, gleich ein Komplett-Angebot mit Flug, Unterbringung und Verpflegung, sowie unterschiedlichsten zusätzlichen Aktivitäten rund ums Nordic Adventure zu buchen. Nix für Bangbüxen aus Hamburg hat da für Abenteuerlustige einige hübsche Pakete unterschiedlich umfangreichen Inhalts geschnürt. Sämtliche Aktivitäten konzentrieren sich auf Supertour, den vor Ort ansässigen Partner der Hamburger. Dessen Lapland-Lodge in Arvidsjaur bildet dabei für ein verlängertes Wochenende quasi das Basis-Lager.
Countdown

Doch zurück zur Schlittenfahrt. Bevor es losgehen kann, bricht in der Lodge geschäftiges Treiben aus. Gedränge vor der Kleiderkammer. Es ist eine ganze Menge Ausrüstung nötig, um längere Ausfahrten unbeschadet zu überstehen: Schuhe, Overall, Handschuhe und Helm. Alles das will zunächst in je individueller Größe an den Mann gebracht werden.
Mit einem Shuttle-Service geht es anschließend zur einer Halle am Ortsrand. Hier warten an die dreissig Ventures, Phazer und Nytros, allesamt vom Hersteller Yamaha, im milchigen Licht dieses trüben Januar-Tages. Die Guides weisen jedem Teilnehmer der Tour einen Schlitten zu. „Alles okay? Schaut Euch Euren Schlitten genau an, irgendwas verbogen oder gebrochen?“ Die theoretische Einweisung hatte es ja am Abend zuvor gegeben. Grundlegende Verhaltensregeln für Standard-Situationen, das Handling des Geräts und die Beschaffenheit des Untergrunds. Jetzt also Nochmals: Nicht über kleine Schnee-Haufen fahren – ein Baumstumpf könnte darunter liegen – und vor allem immer ausreichend Abstand halten; mindestens zwanzig Meter! Ob mir bei der Kälte die Hände abfrieren? Nein! Die Auflösung folgt ungefragt. Die Schlitten haben eine Griffheizung.
Startfreigabe

Das Kommando zum Starten der Motoren wird gegeben. Mit einem kraftvollen Wummern setzt sich das Aggregat in Bewegung. Der Guide fährt los und einer nach dem anderen folgen ihm. Zuerst geht es in gemäßigtem Tempo über eine vielbefahrend Piste am Ortsrand. Der beständige Schlittenverkehr hat hier seine Spuren hinterlassen. In circa einem Meter Wellenlänge wechseln sich Kuppen und Täler ab, fast so, als führe man über eine Straße mit Kopfsteinpflaster. Nur mit einem größeren Maßstab. Dann zweigt der Weg ab in den Wald. Wir fahren jetzt ein forciertes Tempo. Der Blick auf den Tacho gibt Auskunft: Etwas über fünfzig Sachen. Das Gelände wird anspruchsvoller. Größere Hügel versperren bisweilen den Blick zum vorausfahrenden Schlitten. Kaum oben angekommen, sieht man gerade noch seine Rücklichter hinter der nächsten Biegung verschwinden. Also schneller fahren! Es kostet einige Überwindung, den Schlitten mit siebzig Sachen bergan zu prügeln, wenn man nicht genau weiß, was einen hinter der nächsten Kuppe erwartet. Hinzu kommt, dass die Sicht durch das Helm-Visier zunehmend beeinträchtigt wird. Herunter geklappt bildet die kondensierte Atemluft bei minus zwanzig Grad in kürzester Zeit eine undurchsichtige Schicht feiner Eiskristalle. Nach wenigen Minuten erkennt man seinen Vordermann nur noch schemenhaft. Doch solange zumindest die Rücklichter zu erkennen sind, fahren wir unbeirrt weiter.
Eine ganze Weile noch windet sich unser Weg durch dichte Waldpassagen über kleine Lichtungen und zunehmend hügeliges Gelände. Allmählich entwickelt man ein Gefühl fürs Handling des Schlittens. Doch manches bleibt fremd: Entgegen der spontanen Reaktion auf das mit dem rechten Daumen betätigte Gas reagiert die Lenkung nämlich ausgesprochen träge. Die Fahrt endet fürs erste auf einer kleinen Lichtung, wo sich alle Fahrer versammeln. Kurz durchgezählt, dann setzt sich der Trupp die Erhebung hinab wieder in Bewegung.
Seefahrt auf Kufen

Vor uns liegt eine ausgedehnte völlig ebene Schnee-Fläche. Ein zugefrorener See. Probleme mit Baumstümpfen und anderen Unwägbarkeiten sind hier nicht zu erwarten. Mit Speed heizen wir über den See. Brutal schneidet der eisige Fahrtwind über das halb geöffnete Visier hinweg ins Gesicht. Die zwischen 85 und 130 PS starken Schlitten erreichen bei einem Eigengewicht von gerade einmal 270 bis 300 Kilogramm im nu Geschwindigkeiten von hundert Sachen – entsprechendes Terrain und Fahrpraxis vorausgesetzt fahren sie bis hin zu 130 Kilometer in der Stunde. Am gegenüberliegenden Ufer angekommen geht es zuerst weiter wie vorhin. Doch kurz darauf erreichen wir eine weitläufige völlig unberührte Lichtung. Über einen Meter Tiefschnee. Unser Guide signalisiert hier freies Schussfeld. Schnell wird klar: Anders als zuvor will hier im Tiefschnee eine dritte Dimension bedacht werden. Es ist ein bisschen so wie Jetski fahren; das Gerät pflügt sich wie durch Wellen. Bloß nicht anhalten! Denn wer sich einmal festgefahren hat, kommt alleine nicht mehr aus seiner misslichen Lage.

Das fängt schon beim Abstieg an: Wie tief der Schnee hier wirklich ist, merkt man, wenn man beim ersten Schritt mehr als knietief einsinkt. Wie soll man so wieder auf die Phazer kommen? Ganz einfach: Die Hände an den Lenker, Gas geben und sich von dem Teil herausziehen lassen. Aufsitzen muss man während der Fahrt.
Alles geben

Eine halbe Stunde später hat die Schneedecke der Lichtung jeden Anflug von Unberührtheit eingebüßt. Tiefe Furchen ziehen sich kreuz und quer über die Fläche. Zeit zum Aufbruch! Doch es dauert nicht lange, bis die für die Mittagspause angeheizte Hütte erreicht ist. Beim Knistern des Lagerfeuers in der Hütte schmecken Sandwiches und Rentiersuppe doppelt gut. Noch eine zweite Gruppe hat in der Hütte Stellung bezogen. Man lernt sich kennen. Die Zeit vergeht wie im Fluge.

Als wir zur letzten Etappe aufbrechen, ist es bereits merklich kälter geworden und die vom trüben Licht nur milchig hingeworfenen Schatten nehmen zunehmend eine blaue Färbung an. Sonnenuntergang in Lappland. Ein fades Blau-Grau liegt jedoch noch immer über der Landschaft, als wir am Ende der Tour eine Anhöhe erreichen. Von hier oben erhascht man einen überwältigen Blick über die Weite Nordschwedens mit seinen ausgedehnten Wäldern. Kurz darauf verliert sich der Tag dann endgültig in blau changierender Schwärze.