Das Coupé der alten Dame

Bisweilen scheint es, dass sich betagte Oldtimer einen neuen Besitzer geradezu auswählen. Dann nämlich, wenn vom Kauf im entfernten Amerika bis zur ersten Bestandsaufnahme einfach alles klappt und der Wagen genau das hält, was sein Vorbesitzer versprochen hat. Genau so lief´s beim Kauf des 1947er Plymouth-Coupés von Andre Hoehnl
Angefangen hat seine Leidenschaft im zarten Alter von fünf Jahren: Schon damals bastelte sich Andre Hoehnl eine „Karosserie“ aus Pappe, um seinem Kettcar das Aussehen eines Ford Model-T zu geben. Später folgte das obligatorische Bonanza-Rad sowie diverse Kleinkrafträder, an denen es immer eine Menge zu verbessern gab. Bis dann mit einem 1200er Käfer von 1967er das erste eigene Auto vor der Tür stand. Für 400 Mark auf einem Gebrauchtfahrzeugmarkt erstanden, verpasste Hoehnl dem Kugel-Porsche noch eine neue rote Lackierung und modifizierte den Auspuff so, dass ein richtig satter Sound nach außen drang. Außerdem baute er einen für die 6 Volt-Anlage passenden Drehzahlmesser ein. Der dokumentierte kurze Zeit später denn auch, wie hoch die Drehzahl war, bei der der alte Boxer die Waffen streckte: es waren über 5.600. Ergo brauchte der Wagen so kurz vor dem Ende seines Weges auch noch einen neuen Motor, den Hoehnl, damals Soldat, zusammen mit seinem Vater vor dem Kasernentor tauschte. Eine erfüllte Schrauber-Karriere war also vorgezeichnet.

Die Vorgeschichte

Etliche (mittlerweile wertvolle) aus den Staaten geholte Klassiker später stolperte Hoehnl dann vor einigen Jahren über ein altes Foto, das ihn als Dreikäsehoch mit seinem ersten Traumwagen zeigte. Wie stolz er damals auf sein Auto gewesen war! Und so begann ein zunächst flüchtiger Gedanke sich immer mehr seiner zu bemächtigen und sich unablässig um seine Gehirnwindungen zu kräuseln: Genau so ein Wagen könnte sein nächster Oldtimer werden. Tage später, nachdem sich das Ganze noch ein wenig konkretisiert hatte, fand er sich am heimischen Rechner wieder, in den einschlägigen Portalen auf der Suche nach einem Hotrod 30er-Jahre. Doch schnell wurde Hoehnl klar, dass Fahrzeuge aus den Dreissigern bei dem aktuellen Preisniveau sein Budget sprengen würden. Es sei denn, er würde sich zur Finanzierung von einem seiner anderen Schätzchen trennen. Keine gute Idee!

Aus einem Hotrod wird ein Coupé

Zehn Baujahre später hingegen zeigte sich ein anderes Bild. Und wie es der Zufall manchmal will: Nur wenige Klicks später blickte er in das grinsende Gesicht eines 1947er Plymouth Special Deluxe Club Coupés.
Ja, dieses Auto konnte er sich schon vorstellen. Ergo kramte Hoehnl die Nummer eines Kontaktmanns heraus, eines ausgewanderten Deutschen mit verbürgtem KFZ-Sachverstand, dessen Dienste man von diesseits des Ozeans buchen kann, um aus den Stataten ein unabhängiges Urteil über den Zustand eines X-beliebigen Oldtimers zu erhalten. Der machte sich kurz darauf auf den Weg in eines kleines Nest in der Nähe von L.A., von wo eine alte Dame das Schmuckstück zum Kauf angeboten hatte. Als der ihn endlich anrief, war Hoehnl zum Platzen gespannt: Der Wagen stünde ganz weit hinten in einer Scheune, berichtete der Kenner. Der Zustand wäre ordentlich, der Motor ließe sich starten. Doch an eine Probefahrt wäre nicht zu denken. Was er jetzt tuen solle?
„Ein klein wenig genauer hätte ich es schon gerne gehabt,“ gesteht Hoehnl heute, „doch 2012 musste ich mich in wenigen Minuten entscheiden.“ Er fällte eine Entscheidung. Sein Kontaktmann machte den Deal perfekt, organisierte den Transport nach L.A. und buchte für den Wagen der alten Dame eine Überfahrt im Container. Einige Monate später konnte sich Hoehnl mit einem Autotransporter auf den Weg nach Bremerhaven machen um seinen Plymouth abzuholen. Der zeigte sich in einem erstaunlich guten Zustand.

Ein Oldie kommt nach Germany

Der Lack war zwar vor Jahr und Tag mit einer Klarlackschicht überzogen worden, aber noch in einem guten Zustand, genauso wie der 3Liter-Reihen,6 Liter Reihen-Sechszylinder und das am Lenkrad geschaltete 3 Ganggetriebe mit elektrisch angetriebenem Overdrive. Schon im Vorfeld hatte sich Hoehnl erkundigt, welche Umbauten die Zulassungsstelle verlangen würde. Verwundert stellte er fest, daß die meisten notwendigen Änderungen die Beleuchtung betrafen. Die amerikanischen Scheinwerfer würden sich mit der StVZO nicht in Einklang bringen lassen, das war klar, und dann musste der Wagen irgendwie Blinker bekommen. „Die waren in den Staaten damals nämlich noch nicht zwingend vorgeschrieben,“ erklärt er und so ist das Coupé eben ohne ausgeliefert worden. Doch wer jetzt eine komplizierte Umbaugeschichte erwartet, sieht sich getäuscht.

Umbauarbeiten an der Beleuchtung

Der findige Schrauber tat nichts anderes, als zum nächsten Autoverwerter zu fahren, und besorgte sich zwei Scheinwerfer vom VW Golf I. „Die passten perfekt! und damit war die vordere Beleuchtung schon fast StVZO-konform.“ Bis auf die Blinker. Die brachte er in den mit Einbau der neuen Scheinwerfer arbeitslos gewordenen ehemaligen Standlicht-Leuchten unter. „Eigentlich musste ich da nur gelbe Birnen einbauen, und schon war ich fertig.“
Hinten war es nicht sehr viel anders: „Die beiden auf den hinteren Kotflügeln montierten Lampen waren ursprünglich reine Rückleuchten, als Bremslicht diente die dritte Leuchte über dem Nummernschildhalter. „Das dritte Bremslicht habe ich unverändert übernommen,“ erklärt der gelernte Fernmeldemechaniker, „aber die seitlichen Heckleuchten mussten nun zugleich die Funktion von Rück- und Bremsleuchte sowie des Blinkers übernehmen.“
Um die Blinker zu betätigen besorgte sich Hoehnl ein für die Lenkradmontage konzipiertes Reproteil, das sich perfekt in das von metallenen Oberflächen beherrschten Cockpit integriert. Das an sich hätte schon die Verlegung neuer Leitungen bedeutet. Doch Hoehnl hatte ohnehin vor, die alte sechs Volt-Anlage auf zwölf Volt umzubauen. Da lag es nahe, seinem Wagen gleich einen komplett neuen Kabelbaum zu spendieren. „Die Elektrik war gemessen an heutigen Maßstäben schon ein wenig abenteuerlich: Nur die Hupe hatte eine Sicherung!“ Dank des neuen Kabelbaums konnte er denn auch problemlos weitere Aggregate ersetzen, die nicht mehr ganz einwandfrei funktionierten.

Kuriose Technik

Zum Beispiel den Scheibenwischerantrieb. „Im Original wurde der vom Unterdruck in der Ansaugspinne des Motors versorgt. Echt krass, denn damit war die Wischfrequenz abhängig von der Motordrehzahl.“ Auch hier fand notgedrungen ein Golfteil Verwendung. Und natürlich arbeitet der alte 218er Flathad Reihensechser jetzt mit einer Lichtmaschine aus einem jüngeren Oldie mit Zwölf-Volt-Anlage zusammen. Einzig der Anlasser ist von der alten 6-Volt-Anlage übrig geblieben. „Der läuft aber auch prima mit 12 Volt,“ grinst Hoehnl, „nur eben ein bisschen schneller.“

Erneuern von Verschleißteilen

Abgesehen von diesen unumgänglichen Anpassungsarbeiten taten sich noch einige weitere kleinere Baustellen auf: So musste der alte Bremszylinder ersetzt werden und die Tür- und Fensterdichtungen sperrte Nässe von oben und unten nicht mehr zuverlässig aus. Zu den Schönheitsreparaturen dagegen zählten dann schon neue Sitzbezüge aus Velours und ein neuer Himmel. Als ich mit der Oma dann beim TÜV vorfuhr war sie wieder Toppfit. Einziges Problem war die Zulassungsstelle.“ Am benötigten kleinen Nummernschild für das Fahrzeugheck schieden sich die Geister. Für die Erteilung der Erlaubnis, ein solches Schild zu montieren, gibt es nämlich keine eindeutige Regeln. „So liegt's im Ermessen der Mitarbeiter, ob Du sie bekommst und so hängt dein Glück an der Tagesform des Sachbearbeiters,“ ärgert sich Hoehnl. „Ich musste also brav Bitte sagen.“

Fahrvergnügen

Seit 2013 kurvt Hoehnl regelmäßig mit seinem mit seiner Mopar-Oma durch Hamburg und Umgebung. Der Name entstand, als Hoehnl im Kofferraum eine Pappschachtel mit Mopar-Getriebedichtungen fand. „Und weil das gute Stück überall da, wo sich der Klarlacküberzug allmählich zu lösen beginnt, graue Farbe ansetzt, stand mir irgendwann in Gestalt des Wagens die alte Vorbesitzerin vor Augen.“ Das tut dem Erscheinungsbild des Coupés nicht den geringsten Abbruch. Auf vielen inzwischen besuchten Oldtimertreffen machte der alte Plymouth eine gute Figur.
Doch neulich auf einer Oldtimerausstellung ist ihm die Freude am Besuch solcher Veranstaltungen echt vergangen: „Da lehnt sich so'n Typ über Dein Auto und fängt an, da, wo sich auf der Haube um das Plymouth-Logo der Klarlack löst, einfach die Lacksplitter abzufriemeln! Ich dachte, ich seh' nicht richtig.“ Allerdings ist es ohnehin nicht unbedingt Hoehnls Lieblingsbeschäftigung, auf Treffen und Messen herumzustehen. Viel lieber werkelt der sympathische Mittfünfziger in seiner Werkstatt.

Ausblicke in die Zukunft

„Den 1954er Chrysler Hemi hier habe ich schon einige Zeit, der soll irgendwann die Oma auf Trab bringen,“ tätschelt Hoehnl den mächtigen Motorblock, der perfekt instandgesetzt in einer Ecke seiner Werkstatt steht. „Mit seinen 5,4 Litern Hubraum kommt das Aggregat jetzt locker auf 235 PS. Und kaum sieben Jahre jünger kann man ihn auch ohne Bauchschmerzen mit dem Wagen verheiraten.“ Allerdings gibt es da noch ein Problem: Der Achtzylinder arbeitet nämlich normalerweise auf eine 2 Gang-Automatik. Doch die kann man leider nicht einfach so mit dem vorhandenen Schaltgetriebe tauschen. „Denn dann hätte ich keine Feststellbremse mehr. Weil die über eine Bremsvorrichtung am Getriebeausgang wirkt, wo die Kardanwelle angeflanscht ist.“ Und wie er das Problem lösen will, da ist sich Hoehnl noch nicht ganz einig.
(Röhrenradio-anno-1947)Auch das alte Radio im Armaturenbrett würde er gerne wieder in Betrieb nehmen, „auch, wenn es eigentlich nur Mittelwelle empfängt. Doch einige der alten Röhren sind wohl hin.“ Und dann sollte man es auch lieber nicht einfach mit zwölf Volt betreiben.

Technische Daten Plymouth Special Deluxe Club Coupé

Baujahr: 1947 (gebaut '42, '46-'48)
Motor: 6 Zylinder-Reihenmotor
Hubraum: 3,6 Liter
Leistung. 71 kW/95 PS
Getriebe: 3-Gang-Handschalter
Höchstgeschwindigkeit: 115 km/h
Beschleunigung: k.A.
Maße: LxBxH: 4.990x1.850x1.380 mm
Räder: 15 Zoll 225/715

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