Schwierige Umstände fördern bisweilen eigenwillige Allianzen. Bei der Erledigung herausforderndster Aufgaben finden sich regelmäßig ein Erdbauunternehmen und eine Fluggesellschaft zusammen. Protokoll eines Dienstfluges

Eine kurze Inspektion der Technik, das Abarbeiten der üblichen Checkliste und schon beginnt die Turbomeca Arriel 1B Gasturbine des AS 350 BA hochzulaufen. Minuten später bereits schraubt sich der leuchtend gelb lackierte Eurocopter der Helix-Fluggesellschaft an einem kalten Donnerstag Nachmittag in den wolkenlosen, milchig-trüben Himmel über dem Hohenloher Land.
Vorausgegangen waren zwei Tage quälender Ungewissheit, ob es bei dieser Eiseskälte Ende Januar überhaupt ein Startfenster geben würde. Denn während die Menschen in den meisten Regionen Deutschlands schon seit Tagen die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres genießen, liegt das Hohenloher Land unter einer sich kontinuierlich aufbauenden Dunstglocke, begleitet von klirrendem Frost. Die wärmende Kraft der Sonne, die auch hier schemenhaft am Himmel steht, kann einfach nicht bis in bodennahe Luftschichten durchdringen.

Genau das ist das Problem. Wäre man bereits vor zwei Tagen gestartet, dann hätte es nur eine Option gegeben, die bei diesen Temperaturen manifeste Gefahr einer Vereisung der Rotorblätter auszuschließen: Man hätte so schnell als möglich in die warme Luftschicht aufsteigen müssen, die in den letzten Tagen den Austausch mit den bodennahen Luft verhinderte. Mit der Folge einer dann aber nur äußerst dürftigen Sicht auf den Boden.
Und das wäre dem eigentlichen Ziel des Fluges komplett zuwidergelaufen, zu dem Achim Widmann am Steuerknüppel des AS 350 Écureuil (französisch für Eichhörnchen) und Andreas Eberle an diesem Nachmittag nun endlich starten können. Auf dem Programm steht ein rund einstündiger Erkundungsflug über mehrere einschlägige, schwer einsehbare Areale, der in erster Linie dazu dient, sich ein Bild von der jeweils spezifischen Geländesituation zu machen.
Geländeerkundung aus der Luft

Eberle, der vorne rechts auf dem Platz des Co-Piloten sitzt, ist nämlich Inhaber und Geschäftsführer des auf Wasserbau- und Baumpflege-Arbeiten spezialisierten Unternehmens Eberle Erdbau. „Ich arbeite überwiegend in extrem herausfordernden, steilen Lagen, die zudem oft schwer einzusehen sind“, erklärt er, „da erlebt man nicht selten unliebsame Überraschungen, die man vorher nicht einkalkuliert hat. Schaut man sich derartige Areale aus der Luft an, kann man sich einen viel besseren Überblick verschaffen und erkennt viel eher die Tücken mancher Örtlichkeiten. Oder meinetwegen auch verborgene Zufahrtswege, die einem die Arbeit deutlich erleichtern können. Bei der Erstellung von Angeboten beispielsweise auf Anfragen nach Rodungsarbeiten oder zur Befestigung von Uferböschungen kann ich solche Gegebenheiten des Geländes gleich mit einpreisen.“
Das erspart lästige Nachforderungen, erklärt er, und die Kunden – Gemeinden, Wasserwirtschaftsämter oder Forstverwaltungen – könnten die auf die reale Situation abgestimmte Kalkulation auch besser nachvollziehen.
Helikopter als leistungsfähiges Arbeitsgerät

Eberle Erdbau arbeitet schon seit Jahren eng mit der kleinen Fluggesellschaft aus Neuenstein zusammen. Denn nicht nur die bessere Übersicht über schwer zugängliches Terrain spricht in Eberles beruflichen Alltag für den Einsatz des Helikopters. Auch die Reduzierung von Umweltschäden oder die bei den meisten Wetterlagen kurzfristige Verfügbarkeit des Fluggeräts sind gewichtige Gründe. Ganz abgesehen davon muss der Arbeit mit dem Helikopter gegenüber bodengestützten Alternativen in vielen Fällen eine deutlich höhere Effektivität bescheinigt werden.
Achim Widmann, nicht nur Pilot sondern auch einer der beiden Geschäftsführer von Helix, registriert mit Genugtuung das schon seit einiger Zeit einsetzende allmähliche Umdenken in dieser Richtung. Nicht zuletzt, weil es ihn in der Richtigkeit des schon vor geraumer Zeit begonnenen Ausbaus des Leistungsspektrums seiner Firma bestätigt.

Insgesamt sieben leichte Mehrzweckhubschrauber des Typs Eurocopter AS 350 mit bis zu 623 Kilowatt/847 PS starkem Triebwerk und einer Tragkraft von maximal 1,4 Tonnen stehen im Hangar des Unternehmens für Einsätze aller Art bereit.
Hier starten sie von einer Bergkuppe oberhalb der Gemeinde Michelbach zu ihren Versorgungs-, Kontroll- oder Montageflügen. Doch auch Shuttle-, Fracht- oder Agrarflüge zählen zum Leistungsportfolio der Neuensteiner Fluggesellschaft. Das Angebot reicht bis hin zu anspruchsvollsten Einsätzen in den Alpen. Insbesondere bei der Montage von Rollenbatterien, Stützen und Abhebeböcken von Seilbahnen, sowie dem Transport für ihren Bau erforderlicher Baumaterialien oder Einrichtungen, wie Schalungen oder Kränen haben sich die Neuensteiner Kompetenzen erworben.
Kombination zweier Kernkompetenzen

Lösungen für Arbeitseinsätze selbst bei schwierigster Topografie, auf Basis dieser Gemeinsamkeit haben sich Helix und Eberle Erdbau inzwischen ein weites Feld von Einsatzmöglichkeiten erschlossen, bei denen sie auf die Kompetenzen des jeweils anderen Kooperationsartners angewiesen sind. Wo der Helikopter in der Luft die einzig effektive Transportmöglichkeit bietet, stellt Eberles hochgradig geländegängiger Schreitbagger auf dem Boden die nötige Kraft bereit.
Egal, ob es nun, wie beim im Forstbereich immer beliebteren Logging gilt, die bei einer Hangrodung anfallenden Stämme möglichst effektiv und unter Vermeidung von Flurschäden zu einem Sammelplatz abzutransportieren, für Bauarbeiten in unwegsamen Steillagen oder in rasch fließenden Gewässern Materialnachschub wie Schotter heranzuschaffen oder bei der großflächigen Kalkung von Waldböden aus der Luft den Kalkbehälter zu beladen – immer bringt ein enges Zusammenspiel zwischen der Maschine am Boden und dem Fluggerät entscheidende Vorteile.
Eine klassische Win-win-Situation, aus der sich für beide Unternehmen gegenüber öffentlichen Auftraggebern ein echtes Alleinstellungsmerkmal ergibt: Statt zwei Unternehmen zu buchen und deren Leistungserbringung zu koordinieren, haben Verwaltungen und Behörden hier nur einen Ansprechpartner.
Logging für Anfänger – Einsatz unter realitätsnahen Bedingungen

Doch zurück zum Tagesprogramm: Der heutige Flug führt die beiden vorbei am Breitenauer See zunächst in westlicher Richtung bis nach Heilbronn, wo Eberle die kurz zuvor abgeschlossene Rodung eines Hangs in unmittelbarer Nähe zum Neckar aus der Luft dokumentieren will. Von da aus fliegt Pilot Widmann zunächst Richtung Norden weiter und passiert die bei Lampoldshausen in dicht bewaldetem Gelände gelegene Testanlage für Raketenmotoren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Dichte Rauchwolken, versichert er, verrieten regelmäßig stattfindende Testläufe. Heute scheint dort unten nichts los zu sein.

In einer langgezogenen Rechtskurve schwenkt unser Heli dann in nordöstlicher Richtung auf das Jagsttal ein. Beim Überflug des waldreichen Gebiets demonstriert Widmann an authentischer Stelle exemplarisch den Ablauf eines Manövers, das er im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit Eberle zigfach durchgespielt hat: Das Logging – den Abtransport gefällter Stämme aus einem Steilhang. Was sich für Außenstehende wenig spektakulär anhört, stellt sich aus Sicht des Piloten allerdings alles andere als alltäglich dar. Denn um die Ladung zu übernehmen muss der AS 350 erschreckend tief in die Senke abtauchen. Dabei kommen die Spitzen der Rotorblätter dem verbliebenen Gehölz zu beiden Seiten der Schneise haarsträubend nahe. Was heute bei der Demonstration indes nach Sekunden erledigt ist, dauert in der Praxis quälend lange Minuten. Und während Eberle am Boden die nächsten Stämme für den Abtransport einhängt, muss der Helikopter an Ort und Stelle präzise hovern, sprich bewegungslos über Grund schweben. Ein Manöver, das ein gehöriges Maß Abgebrühtheit erfordert – ebenso wie das absolut sichere Abschätzen von Distanzen.
Geländesondierung und Katastrophenschauplatz
Nach diesem Manöver überfliegt die Maschine den Ort Neuenstadt, wo die Gemeinde die Erteilung eines Auftrags zur Gehölzpflege im Flussbett der Jagst erwägt. Dann geht es weiter über Züttlingen und Jagsthausen nach Niedernhall, wo das Wasserwirtschaftsamt ebenfalls ein Angebot für Arbeiten zur Gehölzpflege erbeten hat. Der Flug folgt dann entlang einer Linie, die sich in etwa vom Natursteinwerk Berlichingen bis hin zum Kloster Schöntal erstreckt, zunächst einmal der Jagst. Hinter Schöntal schlagen die beiden schließlich einen südöstlichen Kurs ein und folgen dann über Weißbach und Ingelfingen dem Lauf des Kocher.

Oberhalb von Ingelfingen kommt schließlich ein Terrain in Sicht, das vor einigen Jahren Schauplatz intensiver Zusammenarbeit der beiden war. Hier mussten im Rahmen der Schaffung von Ausgleichsflächen zur Umsiedlung einer Population von Zauneidechsen in einem Steilhang durch Anlage künstlicher Steinmauern und Steinschüttungen Habitate für Sonnen- und Eiablageplätze sowie zur Überwinterung der Tiere geschaffen werden. Während Eberle mit seinem Schreitbagger die Anlage der neuen Habitate übernahm, fiel Widmann die Rolle der punktgenauen Materiallieferung zu.

Auf die Orte Garnberg, Morsbach und Steinkirchen folgt am Ende eines weiter in südöstlicher Richtung geflogenen Bogens ein Ort, der im Sommer 2016 zu trauriger Berühmtheit gelangte. Denn Ende Mai ereignete sich in Folge heftigster lokaler Niederschläge ins Braunsbach eine verheerende Springflut. Während im Ort selbst aus der Luft inzwischen kaum noch Schäden auszumachen sind, offenbart ein nur von spärlicher Vegetation gekennzeichneter Streifen entlang des sonst beschaulich vor sich hinfließenden Orlacher Bachs, mit welcher Wucht die Wassermassen damals alles weggefegt haben, was sich ihnen in den Weg stellte.
Spektakulärer Schlusspunkt – Ingenieurbau und Naturschauspiel

Schließlich kommt in der Ferne die beeindruckende Kochertalbrücke in Sicht. Mit 185 Metern Höhe steht sie auf der Hitliste der höchsten Brücken in Deutschland auf Platz eins. Von hier aus nimmt unser Heli nach einem langen Schwenk in westlicher Flugrichtung wieder Kurs auf Neuenstein.

Der untergehenden Sonne entgegenfliegend ist, das wäre ohne Hinweis des Piloen wohl keinem aufgefallen, jetzt genau das Phänomen zu beobachten, das diesen Flug tagelang verhindert hat: Die noch immer andauernde Inversionswetterlage ist wie mit Händen zu greifen. Wie ein Deckel aus Glas erscheint die Grenzfläche zwischen der oberen, warmen Luftmasse und der darunterliegenden verbrauchten Kaltluft, die wegen des Temperaturunterschieds nicht mit der darüberliegenden Luftschicht in Austausch kommt. So haben das wohl die wenigsten jemals gesehen!
Das Ende der Schwerkraft

Als das heimatliche Helix-Hangar oberhalb von Michelbach schon längst wieder in Sicht ist, beschließt unser Pilot, noch für einen bleibenden Eindruck bei allen Insassen zu sorgen. In einer Höhe von vielleicht 400 Metern lässt der den AS 350 mit unvermittelt über die linke Flanke zur Seite kippen und bis unter hundert Höhenmeter durchsacken. So muss sich Schwerelosigkeit anfühlen! Sekundenbruchteile später fegt das Eichhörnchen mit dem so gewonnenen Speed dann ein kurzes Stück im Tiefflug über den angrenzenden Acker um sich dann dank der verbleibenden kinetischen Energie steil nach oben in den Himmel zu bohren.

Die atemberaubende Aufwärtsbewegung endet jedoch gleich wieder mit einer quasi im Stand hingelegten 180-Grad-Wende, die ergo einen fast senkrechten Sturzflug nach sich zieht. Für derlei G-Kräfte scheint die Canon 7D nicht gebaut zu sein. Sie versagt den Dienst. Als der AS 350 Minuten später sanft aufsetzt, knipst sie brav weiter, als wäre nichts gewesen.
Fleißiges Arbeitsgerät – der Eurocopter AS 350 Écureuil

Was ist das für ein famoses Gerät, dass zu solchen Kunstflugeinlagen taugt? Eigentlich ist es ein Heli ohne jegliche Sonderausrüstung. Seit Mitte der siebziger Jahre gebaut, ist der Eurocopter AS 350 Écureuil ein überaus bewährtes Modell, von dem weit über 12.000 Exemplare in aller Welt fliegen. Ihre Leistungsfähigkeit hat die Maschine mehrfach auf eindrucksvolle Weise unter Beweis gestellt. So war es ein AS 350, mit dem Frédéric North am 25. März 2002 mit einer erreichten Höhe von 12.954 Metern den 1972 von Jean Boulet mit einer Aérospatiale SA-315 Lama aufgestellten Höhenrekord für Helikopter um stattliche 512 Meter übertraf. Nicht minder spektakulär war die am 14. Mai 2005 von Testpilot Didier Delsalle gewagte Landung eines vom Tenzing Hillary Airport in Lukla (auf 2.866Metern Höhe) gestarteten, serienmäßigen Ecureuil/AStar AS 350 B3 auf dem Gipfel des 8.848 Meter hohen Mount Everest.