(Fortsetzung von: Rostige Zeitzeugen am Ufer des Salar de Uyuni)

Mit dem Beschluss zur Umsprung der FCAB-Strecke war den Verantwortlichen klar, das die vorhandene Lokomotivflotte mit der künftig zu erbringenden Leistung hoffnungslos überfordert sein würde. So fasste die nunmehr britische Führung der Bahn einen Beschluss, dessen Folgen sich bis heute an der pittoresken Versammlung rostiger Dampfrösser wiederfinden. Beim englischen Lokomotivhersteller Beyer-Peacock bestellte man sechs im Vergleich zu den bisherigen Maschinen geradezu riesige Gelenklokomotiven der Achsfolge 2-6-0+2-6-0T. 1913 geliefert, konnten diese Meterspurlokomotiven zunächst jedoch nur auf der von der Bolivianischen Railway Company von Beginn an mit 1000 Millimeter Spurweite gebauten Teilstrecke Viacha-Oruro sowie ihrer (extrem steilen) Fortführung nach Cochabamba eingesetzt werden, für die sie aufgrund ihrer Bauart allerdings ideal geeignet waren.

Ein jähr später ergänzten zunächst vier und dann 1928 noch einmal zwei von der Lokomotivfabrik Henschel aus Kassel gebaute Pacifics der Achsfolge 4-6-2 mit äußerst charakterlichem Außenrahmen den Lokomotivbestand der FCAB. Dass es diese eher für zügiges Vorankommen leichter Personenzüge auf mäßig steilen Strecken geeigneten Maschinen in die Andenregion geschafft haben, scheint auf den ersten Blick erstaunlich. Ein Blick auf das Höhenprofil der Bahn zeigt unterdessen, dass die Bahnlinie auf bolivianischer Seite ab dem Grenzbahnhof Ollagüe auf der 680 Kilometer langen Reststrecke bis kurz vor Viacha, durchweg auf einer Höhe von 3700 bis 3750 Metern über Meeresspiegel verläuft. Damit geht dieser Streckenteil selbst nach europäischen Maßstäben als Flachlandstrecke durch, was eben genau für den Einsatz dieser sparsamen Maschinen spricht.

Wirklich Sinn machte die Anschaffung der meterspurigen Henschel-Lokomotiven allerdings nur unter der Voraussetzung, die bislang 762 Millimeter breite Spur der Strecke Oruro-Uyuni möglichst schnell umzuspuren. Insofern wundert es nicht, dass die Umwandlung der 314 Kilometer langen Strecke bereits 1916 abgeschlossen war.
1917 konnten zudem die letzten 35Kilometer Neubaustrecke von Viacha über El Alto bis nach La Paz fertiggestellt werden, auf der wiederum ausgesprochen leistungsstarke, für den Betrieb auf kurvenreichen Steilstrecken geeignete Maschinen gebraucht wurden. Entsprechend kam es zu einer ersten Order von drei nochmals deutlich leistungsfähigeren Gelenklokomotiven der Bauart Garrat mit der Achsfolge 4-8-2+2-8-4, die 1928 geliefert wurden.
Ein bemerkenswerter Kraftakt

Auf chilenischer Seite unterdessen, und das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Kräfteverhältnisse in dieser Zeit, war die Umspurung auch 1919 nicht weiter als bis zur 96 Kilometer von Antofagasta entfernten Kreuzung der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Meterspurstrecke bei Baquedano gekommen. So etablierte sich im Betrieb der FCAB ein mehr als zehn Jahre währender Ablauf, bei dem die in Richtung Antofagasta verkehrenden Waggons in Uyuni mit Drehgestellen der alten Spurweite ausgestattet wurden. Auf Dauer ein unhaltbarer Zustand. Doch auch 1928 war auf chilenischer Seite die Umstellung auf die neue Spur nur bis zum 238 Kilometer von Antofagasta entfernten Calama vorgedrungen. Daher entschloss sich die Führung der FCAB zu einem bemerkenswerten Kraftakt. Zwischen dem 5. Und dem 10. Juli desselben Jahres wurde die 378 km lange Strecke Calama-Uyuni gesperrt. Insgesamt 35 zusammengestellte Bautrupps spurten in nicht einmal sechs Tagen die auf chilenischer fehlenden 113 Kilometer sowie auf bolivianischer Seite 173 Kilometer um.
Bahn und Land im Strudel der Weltwirtschaftskrise

Kaum war allerdings die Umsprung der Strecke abgeschlossen, geriet die Bahn in den Sog der Ende Oktober 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise. Mit ihr setzte ein dramatischer Verfall der Zinnpreise ein. Unter den damals größten Zinnproduzenten war ausgerechnet Bolivien dasjenige Land, das aufgrund des niedrigeren Erzgehaltes und der hohen Transportkosten am teuersten produzierte. So riss der Einbruch des Zinnexports alle, die davon in irgendeiner Form abhängigen waren mit in den Abgrund. Das nicht weit von Uyuni entfernte Minengelände in Huanchaca ist heute eine längst verlassene Geisterstadt.
Die aus dieser Entwicklung herrührende Gemengelage führte zu dem Versuch, sich durch einem Angriff auf das Nachbarland Paraguay (1932) und die dadurch erhofften Gebietsgewinne zumindest schadlos zu halten. Der Plan ging gründlich daneben. Neben zehntausenden Toten hatte Bolivien stattdessen seinerseits empfindliche Verluste seines Territoriums zu beklagen. So ging es mit der wirtschaftlichen Entwicklung weiter abwärts. Nachdem eine zwischenzeitliche Militärregierung mit dem Versuch gescheitert war, die Einrichtungen erster vor allem ausländischer Konzerne zu verstaatlichen, setzte sich die Ausbeutung und die Verelendung der Bevölkerung fort. Am 9. April 1952 entlud sich die katastrophale Lage der Menschen in einem bewaffneten Volksaufstand, der nach erbitterten Kämpfen in einem Putsch gegen die amtierende Regierung gipfelte.
Die Folgen der Revolution

Im Oktober erging mit der gleichzeitigen Gründung des staatlichen Bergbauunternehmens COMIBOL der Beschluss zur Verstaatlichung sämtlicher Minen. Über 80% der Exporteinnahmen und alle natürlichen Ressourcen gingen in Staatseigentum über. Auch von Seiten der Eisenbahnergewerkschaft wurden Forderungen nach einer entschädigungslosen Verstaatlichung aller Privatbahnen laut. Im Mai hatte eine aufgebrachte Meute dem Direktor der Bahn nachgestellt, der letztlich vor dem Versuch seiner Steinigung Schutz in der Britischen Botschaft suchen musste. Überhaupt sah sich das Management der FCAB ständiger, auch von offizieller Seite ausgehender Versuche der Einschüchterung gegenüber.
So verschlechterte sich das Verhältnis der FCAB zur bolivianischen Regierung kontinuierlich. Obwohl die Linie natürlich auch von der galoppierenden Inflation betroffen war, musste die Bahnverwaltung zusehen, wie die Beförderungstarife eingefroren wurden. Angesichts des rapide sinkenden Verkehrsaufkommens dringend angezeigte Sparversuche der FCAB wurden überdies durch die Verpflichtung konterkariert, 30 % mehr Personal zu beschäftigen, als eigentlich gebraucht wurde.
Als die Führung der Bahnlinie 1958 einen Verlust von mehr als einer halben Million Pfund Sterling vergegenwärtigt, fasst das Management den Beschluss, sich im Laufe des kommenden Jahres zurückzuziehen. Dennoch wird die Strecke von der chilenischen Grenze nach Oruro zunächst weiter betrieben. 1959 unterdessen schien die Regierung beschlossen zu haben, den Spieß umzudrehen. Das Unternehmen wurde gezwungen, den Großteil seiner Operationen im Lande auszusetzen. Sämtliches Personal ohne bolivianischen Pass wurde ausgewiesen.
Verstaatlichung der Bahn
Damit standen die Strecke und das rollende Material der früheren Privatbahn nun komplett unter staatlicher Verwaltung. Doch zwei Jahre währende Inkompetenz und schlechtes Management ließen am Ende keine andere Wahl, als die Bahn im Laufe des Jahres 1961 zu schließen. Im Folgejahr schaltete sich Staatspräsident Victor Paz Estenssoro höchstpersönlich ein, um die Bahn wieder flott zu bekommen und ersuchte die FCAB um Unterstützung. Doch hier zeigte man wenig Interesse an einem erneuten Engagement. Im Schlüsselsektor Bergbau hatte sich zu der Zeit eine Erschöpfung der Minen abzuzeichnen begonnen.

Die nie umgespurte Stichstrecke von Uyuni über Pulacayo bis zur Mine in Huanchaca und der dortige Erzabbau, einst eine der Triebfedern zum Bau der Bahnlinie hinauf in die Anden, war 1959 stillgelegt worden. An diesem heute ebenfalls fast zur Geisterstadt mutierten Ort dämmern einige Maschinen mit der Spurweite 762 Millimeter aus der Frühzeit der FCAB vor sich hin.
Am 6.10.1964 gingen letztlich sämtliche in Bolivien gelegenen Einrichtungen der FCAB offiziell in den Besitz des Staates über. Die FCAB erhielt eine Entschädigung in Höhe von 2,5 Millionen Pfund. Für die Bahn markiert dieses Datum durch die Aufspaltung in die Empressa Ferrocarril Nacional de Bolivia (ENFFCC, später ENFE) und einen in Chile weiterhin als FCAB firmierenden Teil eine endgültige Zäsur. Der Bahnbetrieb unterdessen hatte zu diesem Zeitpunkt dies- und jenseits der Staatsgrenze längst eine andere Entwicklung genommen.

Während über den chilenischen Streckenteil aufgrund des in Chucicamata und Collahuasi im großen Maßstab betriebenen Kupfer-Bergbaus ein kontinuierlich hohes Frachtaufkommen abgewickelt wurde, ging es auf dem bolivianischen Teil mit dem Verkehr kontinuierlich abwärts. Nach Verstaatlichung der Bahn, klagten Zeitzeugen, dauerte es gut und gerne 4 Wochen, Fracht von der bolivianischen Grenze nach La Paz zu bekommen.
Verfall der Bahn

Das spiegelt sich ganz klar, und so erklärt sich letztlich auch die Versammlung rostiger Lokomotivwracks am Rande des Salar de Uyuni, im damaligen Einsatzbestand an Lokomotiven wieder. Zeigen zahlreiche Anfang bis Mitte der 50er Jahre geschossene Fotos noch einen regen Verkehr auf der Strecke, standen nunmehr nur noch insgesamt 13 von den zu Beginn der Dekade 63 betriebsfähigen Lokomotiven zur Verfügung. Das ist vor allem insofern erstaunlich, als das die FCAB sowohl kurz vor als auch kurz nach der Revolution einige Neuzugänge zu verzeichnen hatte. 1950 lieferte der englische Lokomotivhersteller Beyer Peacock eine Serie von insgesamt sechs Gelenklokomotiven der Bauart Garrat, die mit den 1928 gelieferten eng verwandt und ebenso wie diese für die Beförderung schwerer Züge auf kurvenreichen Steilstrecken prädestiniert waren.

Vier Jahre später wurden zusätzlich zehn von der englischen Firma Vulcan gebaute nochmals etwas stärkere Maschinen der Achsfolge 4-8-2 der bolivianischen Strecke der FCAB zugeteilt. Damit hätten bei Übernahme der Bahn durch die ENFFCC allein diese 16 zu diesem Zeitpunkt gerade einmal zehn bzw. 14 Jahre alte Lokomotiven zur Verfügung stehen müssen. Dem war offenbar nicht so.
Was nicht mehr einsatzfähig war, kam zur größten von der ehemaligen Bahnlinie auf bolivianischen Boden unterhaltenen Betriebsstätte in Uyuni um in der gut ausgestatteten Werkstatt im Zweifelsfall wieder flott gemacht zu werden. Zu den größtenteils von der FCAB stammenden Maschinen kamen hier auch einige Lokomotiven, die auf den niemals von der FCAB betriebenen bolivianischen Strecken Viacha-Guaqui und Viacha-Arica im Einsatz gestanden haben und durch die Verstaatlichung 1964 ebenso zur ENFE gehörten.
Der Friedhof entsteht

In Uyuni trennte sich jedoch die Spreu vom Weizen: Während viele vor allem ältere Typen auf dem Gelände abgestellt wurde, welches heute als Lokfriedhof von Uyuni bekannt ist, und damit endgültig abgeschrieben wurden, verblieben zahlreichen Maschinen neueren Ursprungs in der großen Lokremise des Bahnknotenpunkts. Zu ihnen gesellten sich später zwei weitere, erst in den späteren Sechziger Jahren von der ENFE erworbene Maschinen einer von Hitachi in Japan gebauten Baureihe. Zu diesem Deal dürfte es gekommen sein, weil die Bahngesellschaft zu dieser Zeit Kredite sowohl von der Weltbank als auch aus Japan erhielt und die japanische Staatsbahn, deren Spurweite nur unwesentlich von jener der FCAB abwich, zeitgleich ihre Dampfflotte aufs Altenteil schickte. In den Siebziger Jahren stemmten diese in mehreren Exemplaren eingesetzten Hitachis den größten Teil des Verkehrsaufkommens. Als sie dann Anfangs der Achtziger nicht nur in Uyuni, sondern auch in den ehemaligen FCAB-Unterwegsbahnhöfen Oruro, Rio Mulato und Potosi geparkt wurden, hatten sich die Räder der am Stadtrand von Uyuni abgestellten Veteranen schon mehr als zwanzig Jahre keinen Millimeter mehr gedreht.

Während die in den Schuppen abgestellten Maschinen die Zeit relativ gut überstanden haben und zumindest zum Teil inzwischen zum Bestand des jüngst in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof in Uyuni eröffneten Eisenbahnmuseums „Museo de Trenes de Uyuni“ zählen, sind die zur Touristenattraktion mutierten Dampfrösser außerhalb des Bahnhofsgeländes zum Teil kaum noch identifizierbar. Es ist dem Eisenbahn-Enthusiasten John Middleton zu verdanken, eine Liste aller hier abgestellten Dampfveteranen zusammengetragen zu haben. Demnach sind es gerade die im Zusammenhang mit der Umsprung der Strecke erwähnten Maschinen, die den größten Teil der hier versammelten 18 Lokomotivwracks ausmachen. Überproportional vertreten ist hier vor allem die Gruppe der Gelenklokomotiven, die, wie weitere zwei Starrrahmentypen allesamt aus England kamen. Insgesamt sind die aus dem Königreich gelieferten Maschinen damit hier eindeutig in der Überzahl. Heute stehen sie friedlich vereint neben fünf aus Deutschland und zwei aus Nordamerika stammenden rostigen Ladies. [Liste]