Power ohne Ende auf staubigen Pisten

We solve big problems for our clients. Das sagt die australische Firma Powertrans von sich und stellte zur Problemlösung den definitiv stärksten konventionellen Truck der Welt auf die Räder
Mit der Entdeckung und der Erschließung immer neuer Rohstoffvorkommen standen insbesondere die Bergbaukonzerne im Australischen Outback vor einem Problem: Weil es sich nicht lohnte, an jedem Tagebau in Brecher-Anlagen, Verladeeinrichtungen oder gar eine Bahnlinie zum Abtransport zu investieren, war es plötzlich nicht mehr damit getan, das Erz von der Sohle einer Grube an die Oberfläche zu bringen. Auf einmal war es nötig, das Material über längere Distanzen zu einem benachbarten Tagebau zu transportieren und dort der Weiterverarbeitung zuzuführen.
Die konventionellen Mining Dumper, unübertroffen darin, über kurze Distanzen schwerste Lasten die Rampen der tief in die Erde reichenden Gruben hinauf zu wuchten, erwiesen sich jedoch für Fahrten über längere Distanzen als ungeeignet. Hauptproblem dabei sind ihre riesigen, mittlerweile bis zu viereinhalb Meter großen Reifen. Bei längeren Fahrten heizen sie sich aufgrund der von den enormen Lasten aufgezwungenen Walg-Arbeit im Gummi derart auf, dass sie Gefahr laufen, zu platzen. Und das galt es nicht nur wegen der horrenden Kosten eines solchen Reifens zu vermeiden, sondern auch, weil mit jeder Stunde Stillstand eines solchen Monsters Unsummen australischer Dollars verbrannt wurden.

Ergo wandten sich die Bergbaugiganten an örtliche Fuhrunternehmer. Das bescherte in den Neunziger Jahren auch Jim Cooper, Eigentümer und Geschäftsführer von Gulf Transport, dem Unternehmen mit der größten Flotte von Road Trains, stetig steigende Umsätze.

Ein Markt will bedient werden

Doch mit dem Wachstum seiner Firma wuchsen auch die Ansprüche seiner Kunden, die Cooper nicht ignorieren konnte. Doch bei den großen Fahrzeuganbietern fand er nichts, was seinen spezifischen Ansprüchen gerecht wurde. „So kam es in den späten Neunzigern zu dem Punkt,“ erklärt Howard Wilson, Powertrans Sales and Marketing Manager, „an dem wir erkennen mussten, das wir von den großen Truck-Hersteller die von uns benötigten Zugmaschinen weder nach unseren Spezifikationen noch in einem annehmbaren Liefer-Zeitraum bekommen würden. So fragten wir uns, ob wir sie dann nicht gleich selbst bauen sollten.“
Daraufhin begann Cooper eine Reihe unterschiedlicher Fahrzeuge zu entwickeln. Am Ende stand der Pit Hauler, ein klassischer Road Train mit einer ganz speziellen Zugmaschine und einer individuellen Zusammenstellung von Trailern. Mit dem wichtigen Unterschied, dass dieser Zug in etwa die doppelte Kapazität der üblichen Roadtrains erreichte. Möglich machte das eine äußerst innovative Powertrans-Eigenentwicklung: Der Powertrailer, ein Schwerlast-Trailer der mit einer zweiten Antriebsmaschine, die wie die Zugmaschine mit Getriebe und Antriebsachsen ausgestattet ist und damit die Bärenkräfte der Zugmaschine verdoppelt.

Eine Idee setzt sich durch

„Since then,“ grinst Wilson, „we haven’t looked back; it’s just gone crazy.“ Die Bergbau-Unternehmen rannten ihm schier die Hütte ein. Doch wo sind die Vorzüge des Pit Haulers?
Nun, bis zu 400 Tonnen schultert ein Powertrans-Zug in der Maximal-Konfiguration – das ist genau so viel, wie die riesigen Mining-Dumper der Heavy Duty-Klasse laden können. Im Gegensatz zu diesen Giganten kann der Pit Hauler allerdings auf normal breiten Pisten und Straßen verkehren, während sich ein Liebherr T284 oder ein Cat 797 locker auf der gesamten Fahrbahn einer dreispurigen Autobahn breit machen würde. Der Aufwand für die Anlage entsprechender Fahrbahnen muss daher letztlich den Kosten für den Unterhalt dieser Dumper zugeschlagen werden. Hinzu kommt ein weiteres: Bereits ein Radlader der nächstkleinerern Klasse ist in der Lage, die Mulden eines Pit Hauser-Zugs mit einer Schaufel zu beladen. Auch hier ist die Möglichkeit zum kostensparenden Downsizing gegeben.

Eine Nische für kontinuierliches Wachstum

So erreichen die Anschaffungs- und Betriebskosten für den Pit Hauser allenfalls die Hälfte der exorbitanten Summen, die für einen der Mining-Riesen aufgerufen werden. „Klar, die Dinger haben ihre Berechtigung,“ ist auch Wilson überzeugt, „doch sie können nicht da hin, wo wir noch hinkommen. Aber uns ist natürlich klar, dass wir uns in einer Nische bewegen.“ Eine Nische, die für die Mainstream-Hersteller zu klein ist, als dass es sich für sie lohnen würde, hier zu investieren. „Uns hingegen gefällt der Gedanke, dass wir etwas tun, was andere nicht können oder vielleicht auch nicht wollen.“
Powertrans ist eine vergleichsweise kleine Firma mit rund 140 Mitarbeitern, und diese überschaubare Größe ist es, die es den Australiern erlaubt, sich mit Spezialentwicklungen auseinanderzusetzen und solche Projekte schnell zum Abschluss zu bringen. So gehört es zur Unternehmenskultur, die Mitarbeiter zu ermutigen, offen Anregungen und Ideen auszusprechen. „Für uns ist jeder Mitarbeiter,“ ergänzt Wilson, „zudem auch ein Mitglied des Teams, das unser Unternehmen repräsentiert.“ Typisch australisches Selbstverständnis!

Zukunftsaussichten

Doch schon bald könnte es sein, dass die Powertrans-Züge auch in anderen Kontinenten auftauchen. Die Anforderungen an das Mining-Equipment im Rohstoffreichen Südamerika zum Beispiel unterscheiden sich kaum von denen in Australien und auch hier werden die Transportwege von der Grube zu den Anlagen zur Weiterverarbeitung länger. Auch russische Bergbauunternehmen habe längst schon Interesse an den superstarken Zugmaschinen und den patentierten Powertrailern angemeldet.

Technische Daten Cummins QSK19

max. Leistung (kW/PS): 465/650 oder 567/760
max. Drehmoment (Nm): 3.085
Bohrung (mm): 159
Hub (mm): 159
Hubraum (m3): 19.000
Batterieleistung (A): 35
Bordspannung (V): 24
Verbrauch bei Volllast (l): 133

 

Zugmaschine T1250

Die T1250 Zugmaschine bietet Powertrans in einer 650 PS- und in einer 770 PS-Variante an. Die Kraft des Cummins QSK-19 Sechszylinders wird über ein elektronisch gesteuertes 6-Gang Allison M6620 Automatikgetriebe auf die beiden Hinterachsen übertragen

Towtrailer BT/TT75-2000

Die Trailer sind wahlweise mit einer 65 Tonnen/75 Kubikmeter- oder mit einer 88 Tonnen/49 Kubikmeter-Hardoxmulde für den Erztransport oder einer 88 Tonnen/80 Kubikmeter-Hardoxmulde für den Kohlentransport ausgestattet. Jede Achse ist für eine Belastung mit bis zu 25 Tonnen ausgelegt

Dolly D75-2000

Der Dolly dient in einem Roadtrain als Deichsel zur Mitnahme eines Trailers. Er bildet sinnvollerweise mit dem Powertrailer eine Einheit, dessen enorme Ladekapazität von seinen Hinterachsen allein nicht getragen werden kann

Powertrailer P75-2420

Der P75-2420 Powertrailer verfügt über das gleiche 650/770 PS-Antriebsaggregat der Zugmaschine mit Automatikgetriebe. Zwei der drei Achsen sind angetrieben. Die hier verwendete Hardoxmulde verfügt über eine Kapazität von 107 Tonnen/49 Kubikmeter für den Erztransport und 99 Tonnen/90 Kubikmeter für den Kohletransport

McArthur River Mine

Sorgen die SKWs dafür, das geförderte Erz aus einer Tagebau-Grube zur Processing Unit auf dem Betriebsgelände zu transportieren, dient der Pit Hauler dem Abtransport der Erze. Der Einsatz von Road Trains kann gegenüber dem Bahntransport oftmals die sinnvollere Alternative sein. Dann nämlich, wenn etwa zwischen der Mine und dem nächstgelegenen Hafen nur eine verhältnismäßig kurze Strecke zurückzulegen ist oder wenn auf dem Minengelände bereits eine Anreicherung des geförderten Erzes stattfindet, was entsprechenden Einfluss auf das erforderliche Transportvolumen hat.
Beides trifft zum Beispiel auf die McArthur River Mine zwischen Cape Crawford und Borroloola zu. Über das als vierspurige Asphaltpiste ausgeführte Teilstück des Carpentaria Highway zum Bing Bong Harbor am Golf von Carpentaria sind es von hier aus kaum mehr als 100 Kilometer. Obwohl es sich hier um eine der derzeit größten Zink-, Blei- und Silber-Minen der Welt handelt, wird allerdings nur ein Bruchteil der geförderten 2,5 Millionen Tonnen Erz aus der Mine wirklich abgefahren.
Die anspruchsvolle Zusammensetzung des hier abgebauten Gesteins mit seinen extrem feinen Zink-, Blei- und Silber-Partikeln, die im Gestein eingelagert sind, erfordert eine höchst anspruchsvolle Vorverarbeitung, bei der das Erz zunächst fein gemahlen wird und anschließend einen komplexen Konzentrationsprozess durchläuft. So konnte das Transportvolumen drastisch reduziert werden, um die Metalle zu vertretbaren Kosten zu gewinnen.
Mit dem Konzentrat beladen kämpft sich Tag für Tag eine ganze Flotte von Road Trains des Transportunternehmens Hampton Road Transport über die rund 100 Kilometer lange Strecke bis zur Küste vor. Von hier aus geht das angereicherte Erz an Bord des Spezialschiffs MV Aburri auf die Reise zu einem fünfzehn Seemeilen entfernten genau definierten Treffpunkt auf hoher See, wo es auf die dort wartenden Erzfrachter umgeschlagen wird. 
 

© 2016 Peter Leuten - peter-leuten.de